Hausfischgeschichten

Einleitung zur besseren Verständnis der Hausfischgeschichten

Wenn sie, geehrte Leser, einmal einen Mann mit einem Koi an der Leine durch die Straßen, über Wiesen oder durch den Wald spazieren sehen, dann haben sie mich mit meinem Hausfisch Schuppi getroffen und werden den Wahrheitsgehalt der nachfolgenden Geschichten bestätigen können. Für Fischunkundige: Kois sind Wildkarpfen, die irgendwann Japaner buntzüchteten.
Ich bin der einzige Mann der Welt, dem das Kunststück gelungen ist, einen Koikarpfen an das Landleben zu gewöhnen.
Der Reihe nach: Kurz nach der schnellen und intensiven Vereinigung der Deutschländer schlief mein Interesse am politischen Alltag ein. Die Zeitschrift bei der ich journalistisch arbeitete wurde von einem Zeitschriftenimperium aufgekauft und binnen eines halben Jahres platt gemacht. Alle wurden arbeitslos. Ich suchte ein neues interessanteres Betätigungsfeld. Als die Koimani nach dem Verschwinden der DDR auch im Osten um sich griff, war ich bestimmt einer der Ersten, die sich mit dem Begrüßungshunderter einen Koi kaufte und in den Gartenteich setzte. Das war noch ein Begrüßungsbonus, wie ich heute weiß, denn Kois sind sehr teure aber treue Fische. Damals wohnte ich noch in Berlin, Schönhauser Allee, direkt den U-Bahnhof Dimitroffstraße gegenüber. Lebte aber in den frostfreien Jahreszeiten im eigenen Garten mit Gartenteich.
Mit Schuppi und mir begann die Freundschaft bereits nach ein paar Tagen. Beim Füttern ließ er sich die Rückenflosse streicheln. Hielt ich meine Hand ins Wasser, nuckelte an meinem kleinen Finger. Nach zwei Wochen, war mein Stammplatz der Liegestuhl neben dem Gartenteich. Von morgens bis abends beobachtete ich die Schwimmübungen meines neuen Freundes.
Eines Morgens sprang Schuppi mit gewagtem Sprung direkt vor meine Füße. Ich erschrak, nahm in auf und setzte ihn behutsam wieder in den Teich. Ich bekam Angst, nach dem mein geliebter Fisch diese Übung mehrfach wiederholte. Ich baute einen Zaun an der Stelle, um nicht meinen Freund durch dessen Übermut eines Morgens tot an Land zu finden. Den Fisch störte meine Sicherheitsmaßnahme nicht. Er sprang an nicht geschützten Uferstellen an Land und watschelte regelrecht, sein Flossen nutzend auf meinen Liegestuhl zu. Ich war ratlos, nahm ihn auf den Arm, streichelte ihn und redete unentwegt auf ihn ein. Ich schlief im Liegestuhl am Teich. Aber eigentlich kann ich nicht von Schlaf reden. Ich durchwachte eine Woche lang die Nächte und war mit meinen Kräften am Ende. Ich wusste, einmal wirst du tief und fest einschlafen und wenn du dann wach wirst, liegt Schuppi leblos neben dem Schaukelstuhl und ich werde ihn irgendwo unter den Obstbäumen begraben müssen.

Der Tierarzt und mein Hausfisch

Ich habe wirklich viel Freude mit meinem Hausfisch Schuppy. In unserer Beziehung gibt es keine Geheimnisse. Ich weiß, wenn ihm eine Schuppe ausfiel oder wenn ihn ein Wasserfloh gebissen hat. Kein Seepferdtritt bleibt ungesühnt. Dafür erzähle ich meinem treuen Freund auch meine kleinen und großen Wehwehchen. Mehrmals am Tage halten wir einen intensiven Quatsch.
Geduldig hört sich der Gute meine Sorgen an, ohne mich zu belehren oder je zu unterbrechen. Wir haben keine Geheimnisse voreinander. Wir lesen uns die geheimsten Wünsche von den Augen ab.
Die Freude an Schuppy wurde aber vor ein paar Tagen getrübt. Er schaute mich nicht an, wedelte nicht mit seinem Fischschwänzchen. Irgendwie fühlte ich Schuppy ist krank.
Ich rief die dringende medizinische Hilfe über Handy an. Die erklärten mir, nicht für kranke Hausfische zuständig zu sein und rieten mir die Feuerwehr zu rufen. Ein Fisch brauche Wasser und die wüssten damit umzugehen. Die Feuerwehrbereitschaft kanzelte mich unhöflich ab. Aquarien abpumpen, so etwas gehöre nicht zu ihren Aufgaben. Außerdem rücken sie nur bei Lebensgefahr eines Feuerfisches aus. Da ich aber nicht solch ein Exemplar vorweisen könne, sollte ich lieber zum Tierarzt fahren oder laufen. Ich nahm das Fahrrad, steckte Schuppy in den für Fahrradtouren gefertigten Brustbeutel und sprintete los. Ich spürte das kleine Fischherzchen an meinem Herzen schlagen.
Glücklicherweise war die Tierarztpraxis leer. Keine Katze, kein Hund, kein Fischadler. Die Assistentin verschwand ohne Worte, als ich Schuppy aus dem Brustbeutel nahm. Ich klopfte an der Tür zum Behandlungsraum und öffnete sie ohne auf eine Reaktion von innen zu warten. Der Herr Doktor bekam vielleicht einen Schreck, als ich mit Schuppy den Raum betrat. Mit entsetzlich weit aufgerissenen Augen rief er: „Raus, tote Fische behandele ich nicht.“ Ich versicherte ihm, mein Hausfisch lebt, der fühlt sich an Land genau so wohl wie im Wasser. Er könne sogar laufen. Nur momentan hinkt er etwas und fressen will er auch nichts. „Nicht einmal seine Lieblingsspeise: In Birkenlaub geräucherte Tintenfischkrümel mit rahmgeschnetzeltem Wasserflohkaviar“ beteuerte ich.
Ich bat den Arzt, Schuppy zu untersuchen. Vielleicht hat er sich eine Krähte gebrochen oder eine Laufflosse verstaucht. Möglich wären auch starke Halsschmerzen und dicke Mandeln.
„Doktor, sie müssen uns helfen“, flehte ich ihn an.
Der Arzt schaute erst mich, dann Schuppy ungläubig an, mir schien sogar, mehr entgeistert als begeistert. Er sagte nichts. Es herrschte vollkommene Ruhe im Behandlungsraum. In dem Moment überkam Schuppy ein Bedürfnis. Ich reagierte schnell und das feuchte Etwas landete auf den Fliesen der Praxis. Die Augen des Arztes bekamen eine Trübung, die ich eigentlich nur von Schuppy kenne, wenn er zu lange an Land ist. Er ging einen Schritt zurück und ich konnte eine Frage von seinen Augen ablesen, ohne das er etwas sagte: „Sind sie hier richtig?“
„Ja, ja“, sagte ich, „nur sie können uns helfen.“ Und mit einem Augenzwinkern ergänzte ich: „Gewiss wird ihre Hilfe auch in die Analen der Hausfischzucht eingehen.“
Ich erläuterte die mögliche Perspektive von Schuppy und mir als Fernsehstarduo und das ich in diesem Falle ihn gewiss als besten Tierarzt Deutschland in unserer Sendung vorstellen werde. Ich setzte Schuppe auf den Behandlungstisch und suchte Fotos in der Brieftasche mit unserem neuesten Dressurerfolgen, der Rolle rückwärts und vorwärts, die mein lieber Schuppy mittlerweile beherrscht. Aber halt nur, wenn er gesund ist. Beim Griff zur Brieftasche kam der Doktor etwas näher. An den Bildern jedoch zeigte er kein Interesse. Er nickte weiter zu allem, was ich erzählte. Mir schien endlich der Bann gebrochen. Er nickte auch, als ich in kurzen Worten erklärte, wie ich Schuppy das Laufen beigebracht habe. Atemprobleme hatte das Tier von Anfang an keine. Wenn er wieder gesund ist, werde ich versuchen eine Frau Hausfisch für ihn zu züchten.
Wie mir die Mutation geglückt ist, verschwieg ich jedoch, denn die Patentanmeldung ist noch nicht ganz durch beim Patentamt. Ich redete und redete, erklärte auch die Besonderheiten meines Fisches; Willenskraft, Ausdauer, Intelligenz und seine ausgesprochene Wachsamkeit, die jeden Haushund voll ersetzt. Nur das Bellen will noch nicht so recht klappen.
„Verstehen Sie nun, Herr Doktor?“, sagte ich fast flehend „warum mir so viel an der Heilung meines Freundes liegt?“
Der Doktor verstand nicht. Er untersuchte Schuppy nicht einmal. Er rief die Assistentin und ließ uns hinausgeleiten. Ich ging betrübt nach Hause, setzte mein geliebtes Tier in seinen Lieblingssessel, schaltete den Fernseher ein und versprach ihm im Hinausgehen: „Ich koche dir jetzt das beste Mittagessen deines Lebens. Keine Angst, wir kriegen dich wieder auf die Flossen.“
Essen beruhigt bekanntlich die Nerven beim Menschen. Warum sollte das bei Hausfischen anders sein.
Als ich zur Küche ging, hörte ich plötzlich Schuppys watschelnden Gang hinter mir. Ich drehte mich erschrocken um, wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu. Schuppy klatschte vergnügt mit der Schwanzflosse auf die Dielen, schaute mich von unten herauf schelmisch an, als wollte er mir sagen: Na Alter, habe ich dir nicht eben ganz schön meinen Schwanzdaumen gezeigt.
In dem Moment ging mir ein Licht auf. Klar, dieser verrückte Fisch wollte einfach nur einen Tierarzt kennen lernen. Nur deshalb hatte er sich die Hinkeinlagen und das Todstellen ausgedacht. Ich war zu blöd und habe ihn nicht verstanden. Alles meine Schuld.
Ich nahm Schuppy auf den Arm und streichelte ihn.
Weshalb habe ich ihn nicht verstanden?
Ich weiß es bis heute nicht. Aber eins ist mir in jenem Moment klar geworden. Ich muss in Zukunft gewaltig aufpassen, dass ich mich mit Schuppy weiter entwickle.

In loser Folge lustige Artikel aus meiner Feder

Bei Wikipedia ist zu diesem Thema ein großer Beitrag zu finden. „Unter Briefmarkensprache versteht man die Übermittlung verschlüsselter Botschaften durch die Anordnung der Briefmarken auf einem Brief…. Etwa ab 1870 war die Anordnung der Briefmarken auf einem Brief zum Zweck der verdeckten Information verbreitete Praxis. Dazu erschienen Anleitungen zur Deutung der Botschaften auf Postkarten, in Zeitschriften und sogar in mehreren Büchern.

Bis in die 1960er Jahre erfreute sich die Briefmarkensprache nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern wie Österreich, Belgien, Frankreich, Großbritannien oder der Schweiz besonders unter Liebespaaren einer gewissen Beliebtheit.“ Ich widmete dem Thema, auf Grund hundertfacher Anfragen von Lesern, im Jugendmagazin „neues leben“ im Juni-Heft 1985 einen nicht ganz ernst gemeinten Beitrag.

 

Leck mich mal

 

Versuch hinter das Geheimnis der Briefmarkensprache zu gelangen. Auslassungen und Auswirkungen anbei.

 

Aufgeklebt von Reinhard Gundelach

 

Tragik der Briefmarkensprache

 

Da sind doch etliche hundert Leser einem toten Affen aufgesessen. Mit toten Affen meine ich eine Erfindung, die Empfindung ausdrücken soll, und dann auch noch so, dass sie über einige hundert Kilometer nachempfindbar wird. Ich rede von der sogenannten Briefmarkensprache aus Großmutters Zeiten. Eigentlich sollte den Beitrag ein Freund von mir schreiben, aber das komplizierte Sprachsystem, das unüberschauliche Durcheinander der Zeichensetzung der Briefmarkensprache brachte ihn so durcheinander, dass er seine Tasche mit dem Manuskript über die Briefmarkensprache irgendwo liegenließ, seine Briefmarkensammlung verbrannte, und seitdem erhalte ich nur noch unfrankierte Briefe mit dem Vermerk: Empfänger bezahlt. Er fasst keine Briefmarke mehr an.

 

Vergebliche Versuche

Etwas vorgewarnt ging ich an meine Untersuchung. Ich nahm mir einige der schönsten bunten Postkarten vor, die mit vielen Herzchen, Rüschen, Kringelchen und Kleeblättern Marken einrahmten, die aussprechen sollen (können), was der Absender denkt. Dabei konzen­trierte ich mich erst mal auf die Grund­variante, z.B. klebte ich die Marken bisher immer ganz normal rechts oben auf den Umschlag, ohne etwas sagen zu wollen. Wenn's aber nach der Briefmar­kensprache geht, sagte ich damit:

1. Variante: Ich komme bald!

2. Variante: Ich komme!

3. Variante: Ich denke stets an Dich!

4. Variante: Dein ist mein Herz!

5. bis 50. Variante lasse ich weg, denn ich weiß jetzt schon nicht mehr, was ich sagen soll zu dem, was ich womöglich mit meiner normalen Briefmarkenkleberei bei den Empfängern angerichtet habe.

Aber so leicht ließ ich mich nicht entmu­tigen, vielleicht war diese Unstimmig­keit Zufall. Ich verglich, Marke rechts oben, aber auf dem Kopf stehend.

1. Variante: Ich hab Dich von Herzen lieb!

2. Variante: Hab mich lieb!

3. Variante: Ich bin Dein!

4. Variante: Ich erwarte Dich!

Nun meldeten sich doch Zweifel und meine Praktikernatur. Was soll ich mir die Zunge verrenken, womöglich an den schärfsten Briefmarken spalten, wenn mich der, Quatsch, die heiß Geliebte nicht versteht, wenn ich klebe: »Ich komme!« und sie versteht: »Ich erwarte, Dich!«. Man fährt glatt aneinander vorbei, nur weil man sich auf Marken und nicht auf die Worte der eigenen Zunge verlassen hat. Nein! Mir fielen die vielen hundert Leser wieder ein, die auf eine Antwort warten, also wagte ich einen dritten Versuch. Diesmal nahm ich eine schräg geklebte Marke. Hier das Ergebnis:

1 .Variante: Sei mir nicht böse!

2. Variante: Innige Küsse!

3. Variante: Bist Du mir auch treu?

4. Variante: Nur Du machst mich glücklich!

Matakalamanurtsch.... entschlagumsatorte...

 

Nachwort der Redaktion:

Leider endet hier das Manuskript unseres lieben Kollegen. Es war nur noch unter großen Schwierigkeiten aus ihm herauszubekommen, dass er diesen Beitrag als sein Lebenswerk ansieht. Soweit sei noch keiner in der Erläuterung der Briefmarkensprache vorgedrungen. Dem Autoren, der das erste Manuskript verlor, schrieb er noch einen Brief. Interes-sant daran war, er klebte die Marke seitlich gedreht, das Wertzeichen nach links zeigend, auf den Briefumschlag, was so viel heißen soll, wie: Ich habe von Dir geträumt! Aber wie wir einer anderen Quelle entnehmen konnten, kann es auch heißen: Du kannst mich!

Wir bitten, von Beileidsbekundungen abzusehen, und versprechen dafür, das Thema Briefmarkensprache der Nachwelt zur Klärung zu hinterlassen.

 

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